Personalisierte Behandlungen sind bei metastasiertem nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom (NSCLC) mit Treibermutationen ein effektiver Ansatz [1]. Der selektive MET-Inhibitor Tepotinib (TEPMETKO®) steht in der Schweiz seit Juni 2021 als einzige, einmal täglich anzuwendende Therapie für metastasiertes NSCLC mit einer MET-Tyrosinkinaserezeptor-Exon-14-(METex14-)Skipping-Mutation* zur Verfügung [2, 3]. Die laufende, offene Phase-II-Studie VISION untersucht die Wirksamkeit und Sicherheit des oralen MET-Inhibitors in der Erst- und der Folgelinientherapie [4, 5].
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NSCLC ist die häufigste Form des Lungenkarzinoms und bei 3-4% der Patienten von der METex14-Skipping-Treibermutation begleitet [4, 6]. Betroffene sind oft weiblich, älter als 70 Jahre, haben nicht oder nur wenig geraucht und eine schlechte Prognose, da sie unabhängig von ihrem PD-L1-Status häufig unzureichend auf Immuntherapien ansprechen [7, 8]. Bei Patienten mit Adenokarzinom, und in den NCCN-Leitlinien auch für Patienten mit Plattenepithelkarzinom, ist die molekulare Diagnostik empfohlen, um bei etwaigen Treibermutationen eine zielgerichtete Behandlung zu ermöglichen [9, 10]. Gewisse Limitationen einer Gewebebiopsie – dem Gold-Standard für eine Analyse auf therapierelevante Mutationen – können dabei durch die liquide Biopsie umgangen werden [11]. Die offene Phase-II-Studie VISION ist eine der ersten Studien, in der diese moderne molekulardiagnostische Methode angewendet wird – 34% der 275 Patienten mit METex14-Skipping-Mutation konnten über die liquide Biopsie rekrutiert werden [5].
Erstlinien-Therapie bei NSCLC Patienten mit METex14-Skipping-Mutation
In der VISION-Studie wurde die Wirksamkeit und Sicherheit von einmal täglich oral 450 mg Tepotinib bei je 50% der Patienten in der ersten Linie und der Zweit- oder Folgelinie untersucht. 10% der Patienten hatten zu Studienbeginn stabile Hirnmetastasen [4, 5]. Primärer Endpunkt für die Wirksamkeit war die Gesamtansprechrate (ORR) beurteilt durch einen unabhängigen Prüfausschuss (IRC) [5]. Bei der Analyse im Februar 2021 zeigten besonders Erstlinien-Patienten, die durch eine Gewebebiopsie identifiziert wurden (n=86), neben einer ORR-Rate von 54.7% auch das median längste Ansprechen (mDOR, 32.7 Monate) sowie das längste mediane progressionsfreie Überleben (mPFS, 15.3 Monate) und Gesamtüberleben (mOS, 29.7 Monate) [5]. Patienten, die über eine liquide Biopsie identifiziert wurden, sprachen sowohl in der Erst- als auch in der Folgelinien-Therapie weniger gut auf Tepotinib an (Tabelle 1) [5]. Die schlechtere Prognose in dieser Patientengruppe geht einher mit einer median höheren Tumorlast und einer median kürzeren Zeit seit der Diagnose als bei Patienten, die via Gewebebiopsie identifiziert wurden [5]. Dies ist bedingt durch die limitierte Sensitivität der liquiden Biopsie, welche für die Detektion eine höhere Tumorlast als bei Gewebebiopsien benötigt [5]. Weiter wurden in der Analyse vom Juli 2020 auch die Effizienz der Therapie bei Patienten mit Hirnmetastasen untersucht. 23 Patienten mit stabilen Hirnmetastasen erreichten unter der Behandlung mit Tepotinib eine ORR von 47.8% (95% KI: 28.8-69.4) [12]. Tepotinib wird basierend auf der VISION-Studie in den NCCN-Leitlinien als Erstlinien-Therapie für NSCLC-Patienten mit METex14-Skipping-Mutation empfohlen [9].
Stabile Lebensqualität unter Behandlung
Das Sicherheitsprofil von Tepotinib wurde bis zur Interim-Analyse im Juli 2020 bei 255 Patienten untersucht [13]. Als häufigste Nebenwirkung trat ein peripheres Ödem bei 138 (54.1%) der Patienten auf. Behandlungsbedingt hatten 25.1% der Patienten eine Nebenwirkung des Grades ≥3, 28% der Patienten benötigten eine Dosisreduktion und 1 von 10 Patienten beendete die Behandlung vorzeitig [12,13]. Die Lebensqualität (QoL) konnte unter Tepotinib stabil gehalten werden [4].
Fazit
Der für die Erstlinientherapie bei Patienten mit metastasiertem NSCLC und METex14-Skipping-Mutation* empfohlene Wirkstoff Tepotinib ist der derzeit einzige, einmal täglich anzuwendende orale MET-Inhibitor, der in der Schweiz zugelassen ist [2]. Diese selektive Therapie ist ein grosser Fortschritt für die personalisierte Medizin bei der Behandlung von metastasiertem NSCLC und unterstreicht die Bedeutung der Analyse dieser Tumore auf therapierelevante Mutationen.
*Die Wirksamkeit und Sicherheit von Tepmetko wurde bei Patienten mit weiteren onkogenen Treibermutationen inklusive EGFR- oder ALK-Tumoraberrationen nicht untersucht [2]. METex14 = mesenchymal-epithelial transition exon 14
TEPMETKO® (Tepotinib)
Interview mit Dr. med. Sebastian Kraus (Stadtspital Zürich, Standort Triemli)
Welches ist das übliche Vorgehen bei NSCLC bezüglich des Screenings auf onkologische Treibermutationen? Wie ist Ihre Meinung zum Testing auf onkogene Treibermutationen bei Patienten mit Plattenepithelkarzinom?
Dr. med. Sebastian Kraus: Eine prädiktive Markeranalyse wird bei allen therapiebedürftigen Adenokarzinomen der Lunge durchgeführt. Diese beinhaltet nebst der PD-L1 Expression alle gängigen Mutationen, welche eine zielgerichtete Erstlinientherapie ermöglichen. Bei den Plattenepithelkarzinomen sollte generell immer der PD-L1-Expressionsstatus und – gemäss den geltenden ESMO-Guidelines zumindest bei den Patienten, welche wenig bzw. nie geraucht haben – ein Lungenpanel durchgeführt werden [14]. Aktuell sehen wir hier aber einen Umbruch, da wir auch bei etwa 2% der Plattenepithelkarzinome eine METex14-Skipping-Mutation objektivieren können [15].
Welcher Anteil der NSCLC-Patienten weist eine METex14-Skipping-Mutation auf und wie würden Sie die typischen Charakteristika dieser Patienten beschreiben?
3–4% der Patienten mit NSCLC vom Typ Adenokarzinom und etwa 2% mit plattenepithelialer Histologie weisen eine METex14-Skipping-Mutation auf [15]. Diese Mutation betrifft häufig auch Nichtraucher, eher ältere und häufiger weibliche Patienten. Generell scheinen diese auch einen eher aggressiven Erkrankungsverlauf zu haben.
Welches ist heute das übliche Vorgehen bei der Behandlung dieser Patienten und was sind dabei die grössten Herausforderungen?
Unter anderem Dank der VISION-Zulassungsstudie besteht nun die Möglichkeit einer zielgerichteten peroralen MET Tyrosinkinaserezeptor Inhibitor (TKI) Therapie in der Erstlinie, da diese in der Erstlinie ein besseres und nachhaltigeres Ansprechen zeigen als bei vorbehandelten Patienten (ORR 54,7 vs. 47,7%, mDOR 32,7 vs. 10,1 Monate [5]). Als grösste Herausforderung sehen wir es, die entsprechenden Mutationsanalysen so zuverlässig und mit so wenig Zeitverzug wie möglich erhalten zu können. Auch die Implementierung der liquid Biopsies ist hier ein wichtiger und v.a. patientenorientierter Schritt.
Welche Bedeutung hat Ihrer Meinung nach in diesem Zusammenhang die Tepotinib-Therapie in Vergleich zum früheren Standard of Care? Welche Erfahrungen haben Sie bezüglich klinischer Wirksamkeit und Verträglichkeit von Tepotinib gemacht?
Vor allem bei den Therapiemöglichkeiten der NSCLC sehen wir in den letzten Jahren eine rasante Entwicklung in der Onkologie weg von den klassischen Chemotherapieregimes mit ihren bekannten Nebenwirkungen hin zu schonenderen und effektiveren Substanzen. Tepotinib ist ein sehr gutes Beispiel hierfür. Zudem wissen wir auch, dass Patienten mit METex14-Skipping-Mutation häufig eine erhöhte PD-L1 Expression haben, sie dennoch nicht so gut auf die Immun-Monotherapie ansprechen. Die erste Patientin, welche ich mit Tepotinib behandelt habe, überraschte unser gesamtes Team mit ihrem positiven Verlauf. Sie hatte einen sehr ausgedehnten Befund mit einer fast den gesamten rechten Hemithorax umfassenden Tumormasse, sowie hepatischen und adrenalen Metastasen. Sie war sauerstoffpflichtig, hatte Heiserkeit mit komplettem Stimmverlust, ein einseitiges Hornersyndrom und starke Schmerzen. Nach sechs Wochen zeigte sich eine bis heute (knapp sechs Monate unter Therapie) anhaltende komplette Remission. Die Familie glaubt an ein Wunder der Medizin – und das in dem Falle von dieser Patientin bis jetzt ganz ohne Nebenwirkungen.
Was können Patienten hinsichtlich ihrer Lebensqualität von der Therapie mit Tepotinib erwarten?
Je besser das Therapienansprechen und je weniger Nebenwirkungen, desto höher natürlich die Lebensqualität unter den oft symptomatischen NSCLC Patienten. Tepotinib schneidet hier als hochpotente und in der Regel gut verträgliche perorale Substanz mit einmal täglicher Einnahme natürlich sehr gut ab. Onkologische Patienten reagieren zudem sehr positiv, wenn man eine rein perorale Behandlung vorsieht, wenn es nicht zu den klassischen optischen Stigmata kommt und sie trotz maligner Erkrankung einen Wiedereinstieg in den Alltag schaffen können.
** Daten von Patienten, die durch eine Gewebebiopsie rekrutiert wurden
Literatur:
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- Drusbosky et al. Therapeutic strategies in METex14 skipping mutated non-small cell lung cancer, J Hematol Oncol (2021) 14:129.
Referenzen sind auf Anfrage erhältlich.
Dr. sc. nat. Katja Becker
Mit finanzieller Unterstützung der Merck (Schweiz) AG.
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